Wahre Worte zur Griechenland-Krise

Ich hab ja auch schon das eine oder andere Mal über die Griechenland-Krise gewettert und befunden, daß es eigentlich sinnlos ist, da noch mehr Geld reinzubuttern und sich dadurch selber dem Risiko auszusetzen, zu einem Krisenfall zu werden. Griechenland ist hoffnungslos überschuldet und wer das nicht erkennt, ist irgendwie falsch in der Regierung. Das große Problem ist halt wie immer: wann ist der Punkt überschritten, wo man erkennen sollte, daß Hilfen nicht mehr bringen und einfach nur noch ein Verbrennen von Geld ist?

Sicherlich, Griechenland pleite gehen zu lassen, kann schwere Folgen für die EU haben. Die Frage ist nur, was folgenschwerer ist: einen Schuldenschnitt in Griechenland zu machen oder andere und größere Volkswirtschaften wie Spanien und Italien auch noch zu gefährden? Das Geld für die Rettung Griechenlands kommt ja nicht von ungefähr, sondern aus den Mitgliedsstaaten der EU und vom IWF. Und dieses Geld wird dann fehlen, wenn die Finanzmärkte andere Länder ins Visier nehmen, weil sie sehen, daß es ja mit Griechenland auch so wunderbar funktioniert hat.

Die Taz hat jedenfalls ein sehr lesenswertes Interview mit dem Schriftsteller Giannis Makridakis, in dem es eben um diese Wirtschaftskrise in Griechenland geht: 

Was sind die Auslöser für diese kulturelle Erschütterung?

In Gang gesetzt hat sie die Aufnahme in die Europäische Gemeinschaft vor dreißig Jahren. Auf einmal wurden dem Land riesige Kredite gewährt. Dank des geliehenen Geldes, das Andreas Papandreou ab 1980 nach Griechenland brachte, hat er den Griechen das Gefühl gegeben, reich zu sein und Geld ausgeben können. Zu dieser Zeit ist halb Griechenland zum Frührentner oder Beamten geworden. Das Schuldenproblem hat also vor dreißig Jahren begonnen.

Sicherlich hatte die EU damals nur die besten Absichten, um dem armen Griechenland unter die Arme zu greifen und ich kann mich noch gut an die Diskussionen erinnern, die der Beitritt der Südlander Griechenland (1981), Italien und Portugal (1986) ausgelöst hatte. Diese Länder galten quasi als Armenhaus Europas, als unterentwickelt und wirtschaftlich nicht leistungsfähig genug. Das wurde dann mit entsprechenden Subventionen geändert. Aber offenbar holt diese Länder diese Subventionspolitik nun wieder ein.

Weitere Punkte, die in dem Interview genannt werden, gehen aber auch auf die kulturellen Eigenschaften ein, was ich nicht minder interessant finde, sondern eher im Gegenteil für sehr bedeutend: 

Stehen Sie der Europöischen Union skeptisch gegenüber?

Ich bin auf Chios, einer griechischen Insel am Rande von Griechenland, am Rande der Europäischen Union geboren. Hier hat sich die ägäisch-griechische Kultur über Jahrtausende entwickelt und erhalten. Nehmen sie zum Beispiel die Fischerboote auf Chios. Sie haben eine lange Tradition. Seit Jahrhunderten benutzen wir die Holzboote zum Fischen und um den Kontakt zu den anderen Inseln aufrechtzuerhalten. Auch mein Vater, zeitlebens ein Fischer, besaß bis vor Kurzem so ein altes Fischerboot.

Heute hat er es aufgrund eines EU-Gesetzes zersägt. Fischer erhalten von der EU Geld, um diese Boote endgültig aus dem Verkehr zu ziehen – mehr Geld als das, was sie mit dem Verkauf des Boots oder der Lizenz erwirtschaften könnten. Immer mehr kulturelle Eigenheiten der EU-Länder gehen verloren, und deswegen bin ich skeptisch: Alles wird zugunsten der Wirtschaftlichkeit aneinander angeglichen.

Was soll die EU tun?

Die Besonderheiten und Unterschiede jedes europäischen Landes sollten gefördert werden. Es kann nicht sein, dass man bald kein traditionelles kafeneion in Griechenland findet, dafür alles mit Caféketten übersät ist, und wir nur noch Plastikboote haben. In einigen Jahren werden die Touristen nach Griechenland in den Urlaub fliegen und ein zweites Deutschland vorfinden. Und das wird niemandem gefallen.

Sollte Griechenland also besser aus der EU austreten?

Nein, keineswegs. Die EU muss vielmehr ihre Orientierung und ihre Werteordnung verändern. Es kann nicht sein, dass das einzige Ziel der EU eine starke Währung und ein gutes wirtschaftliches Netz sind. Wir sollten stattdessen ein Gegengewicht zu den USA aufbauen. Wenn dort der Schwerpunkt auf Geld und Kapitalismus liegt, sollten wir hier in Europa den Menschen und den Schutz der Vielfalt in den Mittelpunkt stellen.

Fühlen sich viele Griechen von der EU ungerecht behandelt?

Nein. Aber man hat in Griechenland das Gefühl, dass das Land schon längst bankrott ist und Weltbank und EU es im Moment nur nicht pleitegehen lassen, weil sie den Schaden für die Banken begrenzen wollen. Wir haben das Gefühl, dass die griechischen Bürger komplett ausgesaugt werden, dass man man ihnen alles nimmt, was noch zu holen ist – Geld, Grundstücke, Unternehmen -, aber sobald die Banken nicht mehr so viel abschreiben müssen, lässt man das Land pleitegehen.

Diese drei Fragen und Antworten fassen eigentlich das ganz gut zusammen, was auch ich an der EU kritisiere: die EU wächst und wächst, teilweise sehr schnell, sie nimmt aber die Bürger nicht mit, sondern beschränkt sich auf das Zusammenwachsen von Staaten, aber nicht der Völker. Dabei kommen eben die kulturellen Eigenheiten der Völker unter die Räder. Sie verlieren ihre nationale Identität, zu der manchmal eben auch die eigene Währung gehört. Die Deutsche Mark (DM) hatte auf den Scheinen bedeutende Persönlichkeiten oder auch andere Dinge. Zum Beispiel war auf der Rückseite des 10 DM-Scheines von 1963 die Gorch Fock abgebildet. Oder Clara Schumann auf der Vorderseite des 100 DM-Scheines von 1990. Aber ob nun identitätsstiftende eigene Währungen oder besondere Boote zum Fischfang, die schon seit Jahrhunderten zur eigenen Kultur gehören: das Schleifen von kulturellen Besonderheiten ist eines der größten Probleme der EU, das Überdecken dieser Eigenarten resultiert dann in weitergehenden Problemen.

Die EU wäre also gut beraten, erst einmal einen Gang zurückzuschalten und wieder verstärkt darauf zu bauen, daß sich die Menschen in Europa wieder einander näher kommen. Eine vereinheitlichte Wirtschaft macht das Leben zwar auch angenehmer, wenn man in den anderen Ländern mit einer einheitlichen Währung zahlen kann, aber sowas wird dann durch solche Vorhaben konterkariert, wenn die EU-Nachbarn wieder Grenzkontrollen einführen oder automatische Gesichtserkennung bei Grenzübertritten verwirklichen wollen.

Und dies wird ja auch im Interview schön thematisiert.

 

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