Frag deine Politiker 2011 – Dr. Rolando Schadowski, FDP antwortet

Mittwoch habe ich die diesjährige Aktion "Frag deine Politiker" gestartet und einigen Politikern verschiedener Parteien diverse Fragen gestellt, deren Antwort mich interessiert. Dr. Rolando Schadowski von der Rostock FDP hat als erstes geantwortet. Hier nun seine Antworten auf die Fragen und meinen Kommentar dazu: 

1.) Die Wahlbeteiligung bei der Landtagswahl 2006 lag bei 59,1%, 2002 jedoch noch bei 70,6%. Würde dieser Trend bestehen, würden dieses Jahr weniger als 50% der Wahlberechtigten zur Wahl gehen. Wie kann man, ihrer Meinung nach, den Bürger wieder für die Politik begeistern oder sehen  Sie einen Unterschied zwischen Politikverdrossenheit und Wahlverdrossenheit?

In einer repräsentativen Demokratie wie der in Deutschland und natürlich auch in Mecklenburg-Vorpommern sorgen regelmäßig stattfindende Wahlen dafür, dass die Vertreter des Volkes in die Parlamente gewählt werden. Dort haben sie die anstehenden politischen Aufgaben zu beraten und Entscheidungen zu treffen. Diese Beratungen führen sie in Ausschüssen von Landtag- und Bundestagen und somit oftmals ohne Transparenz zum Volk. Medien haben dann die gesellschaftliche Aufgabe, darüber objektiv und unabhängig zu berichten, um die Transparenz herzustellen. Je mehr Transparenz dann über die mediale und andere Berichterstattung hergestellt werden kann und vorliegt, um so mehr wird ein Verständnis und Akzeptanz dann zu den politischen Entscheidungen in der Bevölkerung zu erwarten sein. Ist das nicht der Fall, führt das aus meiner Sicht zur Politikverdrossenheit, die sich dann in der Wahlverdrossenheit nieder schlagen kann, in dem der Wähler von seinem Grundrecht auf Wahlrecht keinen Gebrauch macht.
Auf der anderen Seite ist mir wichtig zu betonen, dass die politische Bildung noch stärker Einzug in die Bildungsstrukturen halten muss. Nur wer Kenntnisse und Verständnis für politische Gremien und Entscheidungsprozesse hat, kann daran teilhaben.
Intransparenz poltischer Entscheidungen und geringe Bildungsstandards sind für mich zwei wesentliche Ursachen für Politik- und Wahlverdrossenheit, denen man durch Transparenz und Bildungsangeboten begegnen muss.

Daß mehr Transparenz wünschenswert ist, darüber stimme ich natürlich mit Dr. Schadowski überein. Allerdings sehe ich nicht so recht den direkten Zusammenhang bzw. die direkte Abhängigkeit von Politik- und Wahlverdrossenheit. Viele Menschen sind zwar politisch interessiert, gehen aber dennoch nicht zur Wahl, weil "die da oben ja eh machen, was sie wollen." Deshalb muss nicht nur mehr Transparenz geleistet werden, sondern der Bürger auch die Möglichkeit bekommen, nicht nur alle 4 Jahre einmal seine Stimme abgeben zu können, sondern permanent in die politische Willensbildung eingebunden zu sein.
Mehr politische Bildung ist natürlich ohnehin wünschenswert.

2.) Im März gab es in Japan neben einer Naturkatastrophe auch noch einen atomaren Unfall. Dadurch hat sich die Stimmung in Sachen Atompolitik  auch in Deutschland gewandelt. Die Bundesregierung reagierte mit dem erneuten Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022. Gleichzeitig sollen die erneuerbaren Energien gefördert werden. Wie sehen Sie diese Entwicklung und welche Bedeutung hat dies für Mecklenburg-Vorpommern?

Die Naturkatastrophe von Japan hat allen Verantwortlichen neue Entscheidungen zur Atom- und Energiepolitik aufgegeben. Sicherheitsstandards waren zu überprüfen und in der Folge auch die Positionen zur Energiebereitstellung in Deutschland. Die Entscheidungskriterien Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umwelt- und Klimafreundlichkeit wurden herangezogen.
Für mich bleibt die Notwendigkeit eines Energiemixes aus fossilen und erneuerbaren Energieträgern bestehen, zumindest für eine Übergangsphase. Beim jetzigen Ausstieg aus der Brückentechnologie Atomenergie hätte ich mir mehr Ruhe bei der Entscheidung und Einbindung der europäischen Nachbarländer gewünscht. Inwiefern in der nahen Zukunft die Faktoren Bezahlbarkeit und Umweltfreundlichkeit durch den jetzt vorgezeichneten Umstieg heraus aus der Kernenergie bis 2022 gehalten werden kann, das wird die Zukunft beweisen müssen.

Ich finde den gefundenen Kompromiß eigentlich ganz gut. Sicherlich hätte ich mir auch einen sofortigen Ausstieg aller Kernkraftwerke gewünscht, aber ich bin da realistisch genug, zu erkennen, daß das nunmal ganz einfach nicht möglich ist.

3.) Im Jahr 2007 fand in Heiligendamm der G8-Gipfel statt. Zu diesem Zweck wurden einige Gesetze erlassen und technische Maßnahmen ergriffen (z.B. Überwachungskameras), um die Sicherheit der G8-Teilnehmer zu gewährleisten. Im Frühjahr diesen Jahres wurden diese ursprünglich befristeten Gesetze entfristet, u.a. auch das Kfz-Screening, bei dem zehntausende von Kennzeichen automatisch erfaßt und mit einer Datenbank abgeglichen wurden. Dabei wurden hauptsächlich Verstöße gegen das Haftpflichtversicherungsgesetz festgestellt, jedoch kein einziger Terrorist entdeckt. Wie stehen Sie zu der Entfristung dieser Gesetze?

Ich lehne jegliche Überwachung von Privatpersonen mittels Überwachungskameras o.ä ab. Bereits 2009 hat sich die FDP Rostock mit mir als Kreisvorsitzenden im Kommunalwahlprogramm dazu positioniert. „Lieber vier Augen als eine Objektiv“ war die bildhafte Kernbotschaft dazu. Wir setzen auf die nachbarschaftliche Hilfe. Kameras und Videoaufnahmen helfen im Zweifel dem Betroffenen zu wenig und immer nur hinterher.
Erst recht ist die Überwachung abzulehnen, wenn Unbeteiligte Verkehrsteilnehmer oder Privatpersonen einbezogen werden. Dagegen wird sich die FDP und ich immer und konsequent zur Wehr setzen.

Hier sind ganz klar liberale Kernpunkte angesprochen. Daumen hoch!

4.) Anfang des Jahres kam es in Tunesien, Ägypten und anderen Ländern zu Unruhe und teilweise zu erfolgreichen Revolutionen, die wie im Fall Syrien immer noch andauern und mitunter von den Machthabern blutig niedergeschlagen werden. Dabei spielt das Internet eine wichtige Rolle bei der Organisation von Protesten, so daß die Machthaber den freien Zugang zum Internet kontrollieren, einschränken oder gar komplett unterbinden. Wie stehen Sie zu dieser Art von Einflussnahme auf das Internet?

Das Internet ist ein freies, globales und interaktives Medium, das zunehmend als Basis zur Information der Menschen benutzt wird. Es wird damit auch zunehmend Basis für das Recht des Bürgers auf informelle Selbstbestimmung. Jegliche Einschränkung der Informationsfreiheit lehne ich ab. Dabei ausgenommen sind natürlich Rechtsverletzungen unter Nutzung des Internets.

Auch hier läßt sich die liberale Grundhaltung gut erkennen. Gefällt mir. Natürlich muss man aber auch schauen, was davon dann in der Verhandlungsmasse unter die Räder kommt, wenn die FDP in Koalitionsverhandlungen mit der CDU steckt. Bisher hat die FDP mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger aber gut den Versuchungen der Union standgehalten.


5.) Nach dem 11. September 2001, also vor fast 10 Jahren, wurden zahlreiche Gesetze erlassen, die die Sicherheit der Bürger erhöhen sollen, aber gleichzeitig deren Freiheitsrechte einschränken. Im den Artikeln 1-19 des Grundgesetzes wird 20 mal der Begriff "Freiheit" aufgeführt, aber nur 2 mal der Begriff "Sicherheit". Wie stehen Sie zum Grundgesetz, der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der Balance von Freiheit und Sicherheit?

Hier halte ich es immer noch mit dem geflügelten Wort von Benjamin Franklin: „Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“ Die Balance aus beiden ist notwendig. Und die gewahrte Balance schlägt sich für mich nicht in der (Wiederholungs-) Zahl von einzelnen Worten im Grundgesetz nieder.

Ich denke, die Häufigkeit der entsprechenden Wörter läßt schon darauf schließen, welche Werte dem Parlamentarischen Rat wichtig waren. Insbesondere was die Freiheit des Einzelnen gegenüber dem Staat anbelangt. Daß das Individuum generell auch einen Anspruch auf entsprechenden Schutz von Leib und Leben hat, widerspricht dem nicht. Daraus aber einen höherwertigen Anspruch auf Sicherheit, der über dem Wert der Freiheit steht, zu konstruieren, wird nicht dem gerecht, was die Väter und Mütter des Grundgesetzes beabsichtigt hatten.

6.) Die Proteste um die Verlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofes unter die Erde (Stuttgart21) ziehen sich schon seit letztem Herbst hin. Die Menschen dort finden sich offensichtlich nicht mit dem Bauvorhaben ab, da sie nicht den Nutzen sehen oder der Meinung sind, bei der Planung sei nicht alles mit rechten Dingen abgelaufen. Mithin wird Stuttgart21 als ein Meilenstein der Bürgerbeteiligung betrachtet. Die Bürger sollen  frühzeitig und dauerhaft in die Planungen von großen Bauvorhaben einbezogen und beteiligt werden. Wie stehen Sie zu Bürgerbeteiligung?

Die Bürgerbeteiligung ist ein sehr wichtiges Element einer funktionierenden Demokratie und findet deshalb meine volle Unterstützung. Stuttgart 21 sollte uns lehren, warum ein über 10 Jahre währender Bauplanungs- und Umsetzungsprozess mit allen Elementen der Bürgerbeteiligung dennoch so viele Bürgerinnen und Bürger offenbar unwissend zurück lies.



Wie ich oben schon schrieb, muss es zu einer Selbstverständlichkeit werden, daß Bürger permanent an den politischen Entscheidungen beteiligt werden. Ansonsten hat man das, was ich das Vogonen-Problem nennen würde: wenn die Baupläne für die Hyperraumstraße 10 Jahre bloß irgendwo ausliegen, interessiert sich da keine Sau für. Zumal solche Großprojekte wie S21 die Angewohnheit haben, sich über die Jahre hinweg zu ändern.

7.) In einigen Ländern wie den USA (data.gov) und Groß-Britannien (data.gov.uk) gibt es Projekte, die öffentliche Daten bzw. Daten der öffentlichen Hand der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Um diese Daten herum haben sich viele interessante Projekte entwickelt. Den Themenbereich kann man mit den Schlagworten Open Data, Open Access und Open Government umschreiben. Wie stehen Sie zu Open Data und Open Government?


Mit diesen Projekten bin ich nicht vertraut und kann deshalb dazu keine Aussagen treffen. Im Übrigen verweise ich auf die Positionen der FDP hinsichtlich der Notwendigkeit zur Erhaltung des Datenschutzes in Deutschland. Ziel der FDP ist es, den Datenschutz im Grundgesetz zu verankern.

Da geh ich voll mit! Datenschutz ins Grundgesetz! Das BVerfG hat ja schon aus den bisherigen Grundrechten ein neues Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet, aber wenn es als eigenständiges Grundrecht im Grundgesetz steht, hat das nochmal eine andere Bedeutung.

8.) In den Parlamenten, egal ob Bund, Land oder Stadt, gibt es Politiker, die für gewöhnlich Mitglied einer Partei sind. Bei Abstimmungen wird  häufig nach Fraktionsdisziplin abgestimmt. In Artikel 38 GG steht aber, daß Abgeordnete "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind. Sollten Politiker bei Abstimmungen mehr auf ihr Gewissen hören und weniger auf die Fraktionsdisziplin?

Politiker sind und sollten immer nur ihrem eigenen Gewissen unterworfen bleiben. Auf dieser Basis werden sie ihre politischen Entscheidungen immer zu treffen haben. Das steht für mich in keinem Widerspruch zu vorausgehenden Diskussionen und Positionierungen innerhalb von Gruppen oder Parteien.

Ich finde, die Parteien haben im Vergleich zum einzelnen Abgeordneten eine zu große Bedeutung. Als Bürger hat man das Gefühl, daß die gewählten Abgeordneten nur noch Stimmvieh für die Meinung der Parteiführung ist. Das schadet meiner Meinung nach der Demokratie. Es kann ja durchaus sein, daß ich die Meinung von Abgeordneten A von Partei B beim Thema C präferiere, aber beim Thema D lieber meine Meinung durch Politiker E von Partei F vertreten sehe.



9.) Zum Schluß: was ist ihr ganz persönliches Herzensthema in der Politik?
Ich würde mir noch viel mehr Menschen wünschen, die sich für Fragen wir sie mir hier vorlagen interessieren, weil das eine Möglichkeit ist, Menschen an Politik heran zu führen und sie für ein noch stärkeres Engagement in der Gesellschaft zu motivieren. Insofern herzlichen Dank für Ihre Fragen.
Rostock, 6.8.2011
Dr. Rolando Schadowski

Auch ich habe für die prompte Antwort zu danken! Daß viele Bürger keinen direkten Kontakt mit ihren Politikern pflegen, finde ich auch schade. Meine Erfahrung ist, daß Politiker, insbesondere die aus der "zweiten" Reihe schon ein Interesse haben, mit dem Wähler in Kontakt zu treten. Dies hab ich auch schon von dem einen oder anderen Politiker zu hören bekommen. Was meinen Fragenkatalog anbelangt, hatte ich durchaus Bedenken, daß Kommunalpolitiker vielleicht eher dazu tendieren würden, Fragen zur inneren Sicherheit als nicht relevant für die Kommunalpolitik anzusehen. Aber das Gegenteil ist ja eigentlich der Fall: die Richtlinien, die aus Brüssel von der Bundesregierung in nationales Gesetz gegossen werden sollen, haben direkte Auswirkungen auf alle Bereiche des täglichen Lebens. Und nicht zuletzt haben Kommunalpolitiker ja durchaus auch Einflußmöglichkeiten in Richtung Bundespolitik. Wenn als der Bürger sich bei seinem lokalen Volksvertretern gegen Vorratsdatenspeicherung etc. ausspricht, hat das vermutlich mehr Gewicht, als wenn er seine Meinung darüber in irgendeinem Internetforum kundtut.

An dieser Stelle möchte ich auch nochmal alle befragten Politiker dieser Aktion herzlich zum 1. netzpolitischen Bier in Rostock am 9. August um 18 Uhr im Plan B am Doberaner Platz einladen! Siehe auch http://npbhro.de.

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