Winterchaos

Via Fefes Blog kam ich zu einem Artikel auf den Nachdenkseiten, wo über die Panikmache, nein, nicht über den Terror, sondern über den Winter berichtet wird. Dort schreibt ein Leser der Nachdenkseiten in einem Leserbrief: 

In den letzten Wintern und auch diesem wieder werden vollkommen normale Winterverhältnisse in immer stärkerem Ausmaß als katastrophale Einflussfaktoren umgedeutet. Wer ein wenig älter ist, müsste sich eigentlich problemlos erinnern können, dass die letzten etwas strengeren Winter noch vor 20/30 Jahren der Normalfall waren. Und damals gab es weder auf den Autobahnen noch im Schienenverkehr oder bei der Versorgung entlegener Dörfer mit Strom größere Probleme. Es waren zu diesen Zeiten genügend Räumfahrzeuge einschließlich des sie bedienenden Personals, genug Streuvorräte und ausreichend beheizte Weichenanlagen sowie eine sorgfältig gewartete Strominfrastruktur vorhanden. Die Autobahnen waren, auch bei stärkstem Schneefall, innerhalb weniger Stunden geräumt und Ausfälle im Zugverkehr gab es praktisch keine. Im Rahmen der Privatisierwut und der gesteuerten Verknappung der Finanzmittel für die Öffentlichkeit (sprich den Großteil der Bevölkerung) wurde an diesen technischen Möglichkeiten immer mehr eingespart.

Und da ist durchaus etwas dran. So ein Winter, wie wir ihn letztes und nun bisher auch dieses Jahr haben, war früher eigentlich Normalität. Die Bahn hatte damals sogar entsprechende Werbekampagnen gemacht, an die ich mich auch noch gut erinnern kann. Leider findet man im Netz nur das gemeinfreie Bild des Plakats bei Wikipedia zum Slogan "Alle reden vom Wetter. Wir nicht."

Generell hab ich das Gefühl, daß früher relaxter mit solchen "Wetterphänomenen" umgegangen wurde. Es war halt einfach mal Winter. Heutzutage tut alle Welt überrascht, daß es im Winter auch mal kalt sein und es Schnee geben kann, der mal zur Abwechslung etwas länger als 1 Stunde liegen bleibt. Die Bahn hat mit enormen Problemen zu kämpfen, wo sich eventuell auch die verstärkte Elektrifizierung der Bahnstrecken rächt. Die im Plakat abgebildete Lokomotive ist ja nun eine Diesel-Lok. Aber auch an so manchem Flughafen scheint es dieses Jahr völlig überraschend zu Wintereinbrüchen gekommen zu sein, wenn man davon liest, daß dort Enteisungsmittel für die Flugzeuge fehl(t)en. Von den Autofahrern mal ganz abgesehen, die sich trotz faktischer Winterreifenpflicht teilweise immer noch mit Sommerreifen auf die Straße trauen, wenn es schneit. So geschehen am 2. Dezember in Berlin direkt vor mir an einer Ampel. Unglaublich.

Und die Presse bzw. die Medien spielen da natürlich gerne mit. Katastrophen verkaufen sich halt besonders gut – auch wenn es eigentlich bloß ein ganz normaler Winter ist.

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4 thoughts on “Winterchaos

  1. Ich denke, daß sich zum Teil
    Ich denke, daß sich zum Teil einfach die Wahrnehmung geändert hat: Früher[tm] war es einfach normal, daß man bei bestimmten Wetterlagen eben nicht unproblematisch von A nach B kam. Heutzutage hat so etwas nicht zu passieren, es wird erwartet, jederzeit überall sein zu können. Ganz besonders bei der Bahn: Wegen fehlender Enteisung ausfallende Flugzeuge werden gerne mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen, bei auf Autobahnen festsitzenden Autos mit Sommerreifen gibt es rührende Berichte über die Versorgung durch DRK und THW, verspätete Züge sind sofort ein “typisch, die Bahn kann es mal wieder nicht”.

    Was das Personal angeht: Ja, früher[tm] waren mehr Bahnhöfe mit Personal besetzt, das man “mal eben schnell” z.B. aus dem Güterschuppen zum Schneeschaufeln abordnen konnte. Man sollte bei aller Nostalgie aber auch nicht vergessen, daß “mehr Personal” auch “mehr Personalkosten” bedeutet, selbst wenn der einzelne Arbeiter mäßig bis schlecht bezahlt wird – und viele damalige Eisenbahner gerade in unteren Positionen wären nach heutigen Maßstäben Hartz IV-Aufstocker. Ich wage zu behaupten, daß eine Eisenbahn aus den “goldenen” 1960ern heutzutage schlicht nicht mehr zu bezahlen wäre, sofern man den Bediensteten auch Löhne nach heutigen Maßstäben zahlen will. (Und wenn sich die Bahn wie früher eine Winterreserve aus 400-Euro-Kräften oder gar Hartz IV-Aufstockern zulegen würde, gäbe es einen kollektiven Aufschrei der Entrüstung über die “kapitalistischen Ausbeuter”.)

    Bei der Lok irrst du dich übrigens: Das ist eine Lok der Baureihe E 10.12, zum Zeitpunkt der Werbekampagne die schnellste Elektrolok der Deutschen Bundesbahn im Regelbetrieb (von der E 03 existierten damals gerade vier Prototypen) – logisch, daß man für so eine Kampagne das Flaggschiff der eigenen Flotte nimmt. (Die Lok auf dem Plakat existiert übrigens heute noch, sie steht im DB-Museum in Koblenz.)

    1. Ups… die Oberleitung auf
      Ups… die Oberleitung auf dem Bild sieht man ja im Schneegestoeber kaum. Sorry! 🙂

      Was aber die Sache mit der Bahn an sich an geht, denke ich schon, dass die Bahn sich vielfach auch einfach kaputtspart. Das eine bedingt das andere. Wenn die Bahn immer mehr (unrentable) Strecken stillegt, dann fahren die Leute halt mehr mit dem Auto. Und wenn ich eh schon mit dem Auto unterwegs sein muss, fahre ich halt weniger Bahn. Das kann jeder mal selber ausprobieren, indem er mal nach Berlin faehrt und dort den OePNV nutzt oder sich mal auf dem Lande niederlaesst und das gleiche dort versucht. Mit entsprechend mehr Kunden kann man auch mehr Mitarbeiter bezahlen, die dann eventuell wieder im Winter die Gleise freihalten.

      1. Nur legt seit mittlerweile
        Nur legt seit mittlerweile mehr als 10 Jahren nicht mehr “die Bahn” Strecken (im Personennahverkehr) still. Im ÖPNV wird gefahren, was die Aufgabenträger (je nach Bundesland das Land, ein Zweckverband, der Kreis…) bestellen und bezahlen. Wenn Strecken den Verkehr verlieren, dann im Regelfall, weil der Aufgabenträger den Betrieb nicht mehr bezahlen will.

        Umgekehrt gilt aber auch, daß der Aufgabenträger den Betrieb von Strecken sicherstellen kann, die die Staatsbahn alter Prägung einfach stillgelegt hätte – und sei es, daß er eine andere Eisenbahn damit beauftragt, auf der Strecke zu fahren, die er notfalls von der DB gepachtet oder gar gekauft hat. Dafür gibt es mittlerweile ziemlich viele ziemlich erfolgreiche Beispiele in Deutschland. Die Politik muß es halt wollen.

        Und ja, den Effekt “wenn man sowieso ein Auto haben muß, kann man auch gleich alles damit machen” kenne ich aus meiner Kindheit (Dorf ohne Bahnhof oder Linienbus-Stundentakt) nur zu gut…

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