Rostocks weiße Straßen

Gestern, am 01. Februar, trat ja das SWIFT-Abkommen mit den USA in Kraft, das den Zugriff der USA auf die innereuropäischen Finanztransaktionen regeln bzw. gestatten sollte und vom EU-Rat einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags durchgewunken wurde, der dem EU-Parlament ein Mitspracherecht eingeräumt hätte. Inzwischen hat das EU-Parlament besagte Mitspracherechte und es steht nicht gut für eine Verlängerung des Interimsabkommen mit den USA. Nun hat SWIFT auch noch angekündigt, vorerst keine Daten an die USA zu liefern, weil es derzeit keine Rechtssicherheit dafür gäbe. Die NZZ hat einen ausführlichen Artikel dazu:

Formell ist am Montag das neue Interimsabkommen zwischen der EU und den USA über den Zugriff der Amerikaner auf die innereuropäischen Transaktionsmeldungen des Finanzdienstleisters Swift in Kraft getreten. Doch wegen der fehlenden Zustimmung des EU-Parlaments zu dem Abkommen verweigert Swift den amerikanischen Behörden den Zugriff bis auf weiteres.
[…]
Ganz klar scheint die Rechtslage nicht zu sein. So streiten sich die Juristen darüber, inwiefern das Interimsabkommen, das einen Tag vor dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags von den Ministern beschlossen wurde, wirklich der «Ratifizierung» des Parlaments bedarf. Wie die Saga weitergeht, ist offen. EU-Ministerrat und Kommission stellten in Aussicht, das Abkommen falle dahin, falls das Parlament an seiner Strassburger Sitzung in der nächsten Woche seine Zustimmung verweigere. Falls das Parlament das Abkommen gutheisst, was in der gegenwärtig aufgeheizten Stimmung eher unwahrscheinlich ist, wären die Probleme vorerst gelöst, und die EU könnte sich auf das Aushandeln eines definitiven Abkommens mit den USA konzentrieren.

Wie auch immer die wahren rechtlichen Fragen aussehen oder zu bewerten sind: es ist schon äußerst positiv, daß die Übermittlung der Daten in die USA vorerst verhindert worden ist. Daß es derzeit im EU-Parlament eher so aussieht, als wenn die Parlamentarier gegen das SWIFT-Abkommen sind, liegt vermutlich auch zu einem großen Teil daran, wie das Interimsabkommen zustande gekommen ist – einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags.
Auch der bloggende und twitternde EU-Abgeordnete Jan-Philipp Albrecht hat in seinem Blog das SWIFT-Abkommen häufig thematisiert. Er zielt auch darauf ab, daß das Abkommen gar nicht notwendig und somit nicht zu genehmigen ist:

“Die Beweisgrundlage für die Notwendigkeit der umfassenden Weitergabe von Bankdaten aller EU-BürgerInnen an die US-Behörden bleibt mehr als dürftig. Der heute von Rat und Kommission an einzelne Mitglieder des Innenausschusses verteilte zweite Geheimbericht des von der EU mit der Evaluation beauftragten Richters Brugière ist lediglich eine Zusammenfassung des ersten Berichts aus 2009. Es wird erneut die gleiche kurze Liste an Ermittlungsverfahren aufgeführt, zu denen die Daten der US-Antiterrorbehörden angeblich beigetragen hätten. Weiterhin ist darin das Verfahren der Sauerlandgruppe enthalten, bei dem Bundeskriminalamt und Bundesanwaltschaft bereits klar dementiert hatten, dass die auf den SWIFT-Daten basierenden Erhebungen für den Ermittlungserfolg besonders hilfreich gewesen seien. Auf dieser Grundlage darf das Abkommen nicht in Kraft bleiben.

Gerade der Kampf gegen den achso allgegenwärtigen Terror ist ja das Hauptargument der Befürworter und selbsternannten Sicherheitsexperten. Doch wie Albrecht am Beispiel der Sauerlandgruppe ausführt, sind die Argumente eigentlich hinfällig und nichtig. Somit steht die Grundlage des Abkommens als solche generell zur Debatte. SWIFT selber scheint dies jedoch anders zu sehen, wie NZZ berichtet:

Lehnt das Parlament das Abkommen ab, könnten die USA versucht sein, mit bilateralen Abkommen zum gleichen Ziel zu gelangen. Anbieten würden sich hier die Schweiz und die Niederlande, weil in diesen beiden Ländern Swift-Rechenzentren stehen, oder Belgien, wo Swift seinen Hauptsitz hat. Swift würde laut dem Sprecher Sellar allerdings in jedem Fall auf einem rechtskräftigen und durchsetzbaren Abkommen bestehen. «Am Vorteilhaftesten», erklärte Sellar, «wäre für Swift ein Abkommen auf der Ebene der EU.

Sowohl bilaterale Abkommen zwischen den USA und den einzelnen Mitgliedsstaaten als auch ein späteres Abkommen der EU mit den USA unter Beteiligung des EU-Parlaments sind grundsätzlich abzulehnen. Letztendlich ist es auch eine Frage der Eigenständigkeit der EU und ob die EU ein Vasall der USA sein will?
Die Daten der EU-Bürger gehen die USA gar nichts an – weder in einem EU-weitem Abkommen noch in einzelnen Abkommen der einzelnen Ländern. Ein solches Abkommen würde lediglich dem Datamining der USA Vorschub leisten, aber keinen wirklichen Beitrag zu einer übersteigerten Sicherheitspolitik, die sowieso schon weit über das erträgliche Maß hinausgeschossen ist, beitragen. Vielmehr sollte die EU den USA ganz klipp und klar Schranken aufweisen und die Interessen seiner Bürger wahren. Es ist kaum davon auszugehen, daß die USA die EU mittels Strafzöllen, Flugverboten oder Sonstigem abstrafen würden. Dazu ist die EU ein viel zu wichtiger Handels- und Bündnispartner der USA, der seinerseits auch zahlreiche Einschränkungen und Strafen gegenüber den USA einführen könnte. Ein solcher Handels- und Strafzollkrieg werden sich beide Parteien nicht leisten wollen. Schon gar nicht in Zeiten einer internationalen Wirtschaftskrise. Insofern dürfte eine Weigerung der EU in Sachen Sicherheitspolitik (nicht nur beim SWIFT-Abkommen, sondern auch bei den Passagierdaten und anderen) ohne Folgen bleiben.

Das EU-Parlament hat es nun selber in der Hand, ob es mit seiner gestärkten Macht umzugehen weiß oder ob es sich, wie bisher auch, dem EU-Rat und der Kommission unterordnen will. Deshalb ist es wünschenswert, wenn sich Politiker wie Albrecht im EU-Parlament durchsetzen können und (zunächst) das SWIFT-Abkommen zu Fall bringen.

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3 thoughts on “Rostocks weiße Straßen

  1. Moin moin,

    aber ist die Stadtautobahn nicht unter der Obhut der Autobahnmeisterei?

    Damit wäre die Stadt aus dem Schneider, aber das ändert nichts daran, dass auch an den wichten/großen Straßen die Fußwege nicht geräumt werden (z.B.Lange Straße, Schröderplatz, Südring, Hamburger Straße), bzw. wenn überhaupt nur vereinzelte Anwohner schmale Gassen schaufeln.

  2. Neee, ich glaube nicht, daß die Autobahnmeisterei fuer die Stadtautobahn zustaendig ist, weil es ja keine Autobahn ist, sondern eine Bundesstrasse. Wer will, kann ja mal richtig A20 fahren. Da muesste dann irgendwo ein Schild in der Mitte kommen, wer ab wo fuer welchen Abschnitt zustaendig ist.

    Aber ansonsten ist das mit dem Schnee schon lustig: da hat es mal seit langem wieder einen Winter und die Leute flippen aus und es ist Weltuntergang… 😉

  3. Stimmt,
    da habe ich mich wohl vom Namen auf eine falsche Fährte locken lassen, denn auf Autobahnen sind ja auch Ampeln traditionell eher spärlich gesäht.

    Ich mag den Winter, besser als dieser Nieselregenkram der letzten Jahre.

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