Panorama-Foto von Akureyri

Wie vielleicht allgemein bekannt ist, finden nach der Bundestagswahl am 27. September derzeit die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP statt. Vor kurzem fanden ja schon die Kompromisse in Bezug auf die Innen- und Sicherheitspolitik entsprechende Beachtung in den Blogs und Medien.
Doch mit ihrer Kreativität halten die Koalitionspartner auch bei anderen Themen nicht hinterm Berg. So soll es eine Steuerentlastung geben. Irgendwie ist (zumindest mir) unklar, ob die Bürger oder die Unternehmen die Nutznießer sein sollen. Aber da eigentlich jedem klar ist, daß es in Zeiten der Wirtschaftskrise eigentlich keine Steuerentlastungen geben kann, ohne sich neu zu verschulden, folgen die Vorschläge der Verhandlungspartner im Prinzip der altbekannten Methodik: das Geld, was man dem Bürger mit der einen Hand gibt, holt man sich mit der anderen aus seiner Tasche zurück.

So gab es offenbar Überlegungen, die kommunalen Ver- und Entsorgungsunternehmen mit der Mehrwertsteuer von 19% zu belegen. Diese würden natürlich die zusätzlichen Kosten auf den Kunden umlegen. Daß diese Idee nicht sonderlich populär werden würde, hätte ja im Vorfeld schon klar sein sollen und so kam es dann auch, daß dieser Plan genauso offenbar nun doch nicht umgesetzt werden soll.

Außerdem war da ja seit kurzem auch die Idee eines “Schattenhaushalts“, um die Kosten der Sozialversicherung aus dem Bundeshaushalt herauszurechnen bzw. zu halten. Nur dummerweise scheint es bei der Idee verfassungsrechtliche Bedenken gegeben zu haben.

Und dann ist da ja noch die wahnsinnig tolle Idee, die Kostenexplosion im Gesundheitswesen damit einzudämmen, daß man den Deckel bei den Zusatzbeiträgen des Gesundheitsfonds anhebt. Das ist aber auch nur eine Idee von mehreren, die sich um die Kranken- und Pflegeversicherung ranken. Gemein ist allen Ideen, daß der Versicherungsnehmer verstärkt zur Kasse gebeten wird und die Zeche zahlen muss.

Gemeinhin kann man aber allen bisherigen Ideen der Koalitionspartner attestieren, daß es sich bei ihnen hauptsächlich darum handelt, wie man dem Bürger vorgauckeln kann, daß er ja weniger Steuern zahlen muss (Stichwort: Steuersenkung), aber man gleichzeitig überlegt, wie man möglichst viel Geld bei den Bürgern abgreifen kann (Stichwort: Beitrags- und Abgabenerhöhungen). Dabei fährt man gerne zweigleisig. Zum einen werden die Kosten, ähnlich wie bei den Banken, sozialisiert, d.h. die Allgemeinheit muss für eine verfehlte Politik und deren Kosten aufkommen. Etwa indem man die Kosten im Gesundheitsbereich erhöht und zwar vornehmlich auf Arbeitnehmerseite.
Zum anderen wird aber gleichzeitig auch die Forderung laut, daß die Bürger verstärkt privat vorsorgen sollen, wie etwa bei der Riesterrente oder der Pflegeversicherung. Dort werden dann die Gewinne privatisiert. Nämlich die der Versicherungsunternehmen, die entsprechende Versicherungen anbieten, die man nicht bräuchte, wenn die Renten- und Sozialpolitik ordentlich gemacht worden wäre.

Ja, unser Gesundheitssystem ist sicherlich teuer – aber es auch wohl eines der besseren auf der Welt. Daß die Kosten immer weiter explodieren, obwohl man in den vergangenen Jahren mehrfach die Beitragssätze erhöht und einige Maßnahmen zum Sparen vorgenommen hat, spricht eigentlich Bände, daß das System als solches krank ist. Diejenigen, die privat versichert sind, können sich freuen, da sie entsprechend gut behandelt werden. Kassenpatienten dürfen sich hingegen mit Medikamenten herumärgern, die vielleicht bei ihnen nicht so recht wirken, aber laut Liste die gleichen Wirkstoffe haben und zudem noch billiger sind, als die Medikamente, die sie seit Jahren nehmen und die ihnen auch helfen. Oder es werden einfach mal Behandlungen oder gar Operationen verschoben, weil gerade der Etat dafür im laufendem Quartal erschöpft ist. Und bei alledem haben die Ärzte und Schwestern keine Zeit mehr für die Patienten, sondern müssen immer mehr Zeit in den Papierkram stecken.

Wieso geht es den Privatpatienten nun also dann doch vergleichweise gut? Privatversicherte zahlen zum einen einen höheren Satz als den der Kassenpatienten und da sie die Rechnung des Arztes bekommen, wissen auch Privatpatienten wieviel mehr sie bezahlen. Z.B. zahlen sie bei Behandlung A einen Satz von 2.3 des Kassensatzes. Kostet die Behandlung A z.B. € 20.- , zahlen Privatversicherte € 46,- dafür. Kein Wunder, daß ein Arzt lieber Privatversicherte behandelt, da sie ihm eventuell sogar ermöglichen, Kassenpatienten zu behandeln, obwohl sein Budget für diese schon im Quartal überschritten ist. Zum anderen muss auch der Arzt seine Mitarbeiter und Rechnungen bezahlen. Bei den niedrigen Sätzen der gesetzlichen Versicherungen bleibt vermutlich nicht viel über, denn die gesetzliche Krankenversicherung muss ja sparen. Also werden dort die Sätze runtergeschraubt.

Im Grunde wird der Gesundheitssektor zu Tode gespart. Dabei liegen eigentlich Einnahmepotentiale brach. Wieso gibt es z.B. die Beitragsermessungsgrenze, die dafür sorgt, daß Gutverdienende ab einem bestimmten Verdient nicht mehr zahlen müssen? So zahlt jemand, der € 100.000 im Jahr verdient genauso viel Sozialbeiträge wie jemand, der € 45.000.- verdient. Prozentual gesehen bezahlt ein Arbeiter, der € 24.000.- verdient, genauso viel wie jemand, der € 42.000.- im Jahr nach Hause bringt.
Umgekehrt jedoch muss man mindestens drei (zukünftig ein Jahr) Jahre über der Versicherungspflichtgrenze von derzeit € 48.600.- verdienen, um sich privat versichern zu können, obwohl man bereits dort bei geringeem Einkommen monatlich viel Geld sparen kann, das man z.B. in die Altersvorsorge stecken kann – vorausgesetzt man kann sich bereits in jungen Jahren privat versichern.

Anstatt also einmal das Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren, indem man mehr auf die private Vorsorge setzt und dort mit staatlichen Mitteln hilft, wo eine entsprechende eigene Vorsorge nicht möglich ist, wird lieber alles zugrunde gespart und reformiert. Anstatt die Gutverdienenden stärker in die Pflicht zu nehmen und einen progressiven Beitragssatz zu entwickeln, der einem Geringverdienenden monatlich mehr in der Tasche läßt, während derjenige mit € 100.000.- Jahresverdients ohne Beitragsbemessungsgrenze entsprechend mehr zahlen muss, müssen Kassenpatienten monatelang auf einen Termin beim Facharzt warten. Warum nicht Privatpatienten einen kleinen Sozialkassenbeitrag von z.B. € 50.- abverlangen, dafür aber die Versicherungspflichtgrenze fallen lassen, damit mehr Leute sich privat versichern können und Geld durch die erhöhten Beitragssätze in die Ersatzkassen spülen?

Kurzum: die Politik versucht meiner Meinung nach, einen dahinsiechenden Patienten noch auf Teufel komm raus das unausweichliche zu ersparen, obwohl ein klarer Bruch und ein Neuanfang eigentlich sinnvoller und besser wäre. Anstatt zu überlegen, wie man immer mehr Millarden in ein marodes System stecken kann und sie dann dort versickern sieht, sollte man überlegen, was an anderen System gut ist und diese Sachen fördern. Anstatt gesetzliche Krankenkassen und deren Patienten zu Tode zu sparen, sollte eine bessere Versorgung der Patienten das Ziel sein. Und das kann man nicht dadurch erreichen, daß man den Ärzten immer mehr Bürokratie aufhalst und ihnen enge finanzielle Grenzen zur Behandlung der Patienten steckt, sondern ihnen ermöglichen, die Patienten gut zu behandeln. Dazu trägt meiner Meinung nach auch die Transparenz bei den Privaten bei, daß man eben selber die Rechnung vom Arzt bekommt und sie kontrollieren kann. Wer wegen eines grippalen Infekts zur Krankschreibung beim Arzt war, dürfte sich wohl über eine Rechnung für z.B. eine Blutabnahme wundern, wenn ihm gar kein Blut abgenommen wurde. Natürlich kann es ja mal passieren, daß ein Arzt im Stress eine falsche Rechnung schreibt, aber wenn niemand diese überprüfen kann, wird halt in einem solchen Fall etwas bezahlt, was gar nicht hätte abgerechnet werden dürfen.

Fragen, die die Politik vielleicht besser beantworten sollte, anstatt an Symptomen und nicht haltbaren Wahlversprechungen und bloßer Symbolpolitik herumzudoktoren.

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