Im Graben der digitalen Spaltung

Da ich gestern nicht selber vor Ort, sondern auf der Hochzeit von Freunden und dort ziemlich abgeschnitten war, kann ich heute natürlich nur das kommentieren, was andere berichtet haben, die dabei waren.
Zum einen wertet das Veranstalterbündnis der Demo das ganze als Erfolg. Bei Netzpolitik gibt es (stellvertretend verlinkt) die Pressemitteilung der Organisatoren. Dort heißt es unter anderem:

“Freiheit statt Angst” Demonstration ein voller Erfolg.

* Insgesamt 25.000 Bürger protestierten gegen den Überwachungswahn
* “Freiheit statt Angst” Demonstration ein voller Erfolg
[…]
Die Veranstalter, ein Bündnis von 167 Organisationen aus beinahe allen gesellschaftlichen Gruppen, werteten die Demonstration als “vollen Erfolg”, der um so höher zu bewerten sei, weil eine Woche nach der Antiatomdemonstration abermals so viele Menschen mobilisiert werden konnten. “Das zeigt uns, dass die Menschen keinesfalls politikverdrossen sind – sie haben nur kein Vertrauen in die herrschende Politik”, bekräftigt Rena Tangens vom Presseteam des Bündnisses. “Jetzt müssen die neuen Überwachungsgesetze wie die Vorratsdatenspeicherung endlich wieder abgeschafft werden, sowohl national wie auch europaweit.”

“Eine Politik die uns, die Bürger dieses Landes, in erster Linie als potenzielle Terroristen, Kinderschänder oder Amokläufer sieht, zerstört die Grundlagen unserer Demokratie”, sagte Franziska Heine auf der Abschlußkundgebung. Heine initiierte im Frühjahr dieses Jahres die Onlinepetition gegen Netzsperren an den Bundestag.

Wenn man die Zahlen auf Wikipedia dazu vergleicht, muss man aber feststellen, daß die Teilnehmerzahl im Vergleich zum Vorjahr massiv gesunken ist. Bedenkt man, daß sich seit Anfang diesen Jahres viele Menschen überhaupt erst mit diesem Thema dank des ZugErschwG befassen, ist es eher eine enttäuschende Beteiligung, da im Vorfeld mit deutlich mehr Teilnehmern spekuliert wurde. Ob das nur an der Antiatomdemonstration vom letzten Wochenende liegt, dürfte man wohl irgendwie bezweifeln.
Wichtig ist in der Tat aber wohl die breite Unterstützung durch die vielen Organisationen und Unterstützer. Auch die Einschätzung von Franziska Heine teile ich durchaus auf ganzer Linie.

Wie sehr der Staat vielleicht schon in Schieflage geraten ist, zeigt vielleicht auch ein wenig, der Anlass, mit dem die diesjährige Demonstration vermutlich eher im Gedächtnis bleiben wird. Am Ende der Demo ereignete sich nämlich ein Vorfall, der zwar die überwiegend friedliche verlaufende Demo in eine weniger schönes Bild rückt, da sich einige einzelne Polizisten offenbar nicht zusammenreissen konnten, wie man dem folgenden Video entnehmen kann:

Polizeigewalt bei Freiheit statt Angst Demonstration from Hansi Huber on Vimeo.

Ich will da gar nicht großartig selber drauf eingehen bzw. sagen, wie verwerflich der Angriff eines Polizisten auf einen offensichtlich friedfertigen Demonstranten ist, indem er diesen mit der Faust direkt ins Gesicht schlägt. Zum einen wird das nun wohl ein Gericht beurteilen müssen, zum anderen steht bei den folgenden Seiten schon etliches an Information:

  1. Fefes Blog
  2. Netzpolitik.org
  3. Peter Piksas Blog vom Karpfenweg
  4. Spiegel Online
  5. Heise
  6. u.v.a.m.

Die Polizei hat inzwischen eine Pressemitteilung zu dem Vorfall herausgegeben.

Das Pikante an diesem Vorfall ist zweierlei: zum einen wird ein Übergriff von einzelnen Polizisten einer gewissen Gruppe der Berliner Einsatzpolizei, die durchaus “berüchtigt” ist, wenn man gewissen Darstellungen im Internet Glauben schenken will (s. Kommentare aus den obigen Links) aufgrund eines aufgenommenen Videos bei einer Demonstation gegen die überbordende Überwachung bekannt. Das könnte natürlich Wasser auf die Mühlen der Überwachungsbefürworter sein. Denen muss man aber klipp und klar sagen, daß die Videoaufnahme eines Passanten bzw. Demonstrationsteilnehmers schon etwas anderes als organisierte und strukturierte Überwachung ist. Die kritisierte Überwachung kennzeichnet ja gerade die dauerhafte, anlaßunabhängige und massenweise Überwachung unbescholtener und unverdächtiger Bürger. Allein deswegen kann man schon das Video nicht als Überwachung werten. Vielmehr ist es eine Zeugenaussage auf Video. Insbesondere, wenn man liest, wie ansonsten Anzeigen gegen Polizisten ausgehen: dann kann plötzlich niemand der anwesenden Polizeikollegen sich an irgendwas Belastendes in Richtung des beschuldigten Polizisten erinnern. So kann man auch im Internet sehen, daß von 1813 angezeigten Straftaten von Polizisten nur 3 mit einer Strafe sanktioniert wurden. Hinzu kommt anscheinend bei der Berliner Polizei eine gewisse Affinität zu unerlaubten Mitteln, wenn man z.B. dem Bericht der Berliner Morgenpost Glauben schenkt.
Sicherlich, der Großteil der Polizisten sind nette, hilfsbereite und freundliche Beamte, aber durch diese (zahlreichen) Einzelfälle nimmt das Ansehen der Polizei insgesamt Schaden. Gerade die Polizei ist verpflichtet und hat diesbezüglich eine Vorbildfunktion, sich an das geltende Recht und Gesetz zu halten. Und da liegt dann auch der eigentliche Skandal. Wenn sich die Polizei unbescholten über das Gesetz stellt (s. Panorama-Bericht von oben: 3 von 1813 angezeigten Straftaten), dann befinden wir uns eigentlich schon mitten im Polizeistaat.

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4 thoughts on “Im Graben der digitalen Spaltung

  1. Immer wieder schön zu sehen, dass es noch mehr “kranke Nerds” gibt 😉 Aber ich hoffe, du konntest die Feier wenigstens ein wenig geniessen?

  2. Ahjoh, war schon lustig. Aber da ich mittags noch zu ner Bekannten musste, um ihr DSL zu fixen (was nicht ging, dazu spaeter mehr), hatte ich keine Zeit, meinen taeglichen Blogartikel zu verfassen. Und auf der Hochzeitsfeier gab es zwischen Kaffeetrinken und Abendessen eine entsprechende Pause, wo man locker was haette bloggen koennen. Mal von meiner Neugier hinsichtlich #fsa09 mal abgesehen… 😉

  3. Nein! Auf gar keinen Fall! Lediglich sehr interessiert am Tagesgeschehen und mitunter gelangweilt und ueber entsprechenden Zeitvertreib froh.

    Leider hab ich erst gestern gesehen, dass ich noch eine Folge Quarks & Co auf dem Handy haette anschauen koennen… 😉

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