Mißbrauchsdokumentation im Netz – kein Millionengeschäft

Bei Spiegel Wissen gibt es einen interessanten Artikel über Philipp Mißfelder, dem Vorsitzenden der Jungen Union. Dort kann man unter anderem gut sehen, wie Politik so funktioniert:

Mißfelder reist seit Jahren von Altentreffen zu Altentreffen, um gegen ein Wort anzukämpfen, ein eigenes Wort. “Ich bin der mit der Hüfte”, eröffnet er manchmal seinen Vortrag. Prothesenlachen, Grienen. Am 3. August 2003 erschien der Berliner “Tagesspiegel” mit einem Interview, in dem Mißfelder sagt, dass es nicht nachvollziehbar sei, “wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf Kosten der Solidargemeinschaft bekommen”. Früher seien “die Leute auch auf Krücken gelaufen”.

Es sind die Worte seines Lebens. Damit ist er da, Deutschland nimmt wahr, dass es einen Mann namens Philipp Mißfelder gibt. Ihm wird deshalb gern Kalkül unterstellt. Er selbst sagt, dass er den Satz lieber nicht gesagt hätte, auch wenn er wahr sei. Es gab Morddrohungen, die Altenrepublik blies zur Attacke auf Mißfelder, ausgerechnet der wachsende Teil der Wählerschaft, die Macht von morgen. Er hat sich entschuldigt.

[…]

Als die Große Koalition vor einem Jahr den demografischen Faktor der Rentenformel außer Kraft setzte, um den Alten etwas Gutes zu tun, wäre dies seine Stunde gewesen. Als Chef der Jungen Union hätte er sagen müssen, dass dies ein übler Deal zu Lasten der Jungen sei. Aber es gab kein Funksignal, drei tote Handys. Philipp Mißfelder saß stumm in seiner Raumkapsel und flog seinen fatalen Worten von 2003 nach. Heute die Alten von Waltrop, morgen die Alten von Münster.

Jens Spahn, ein junger Abgeordneter der CDU im Bundestag, hat stattdessen den Protest gegen die geänderte Rentenformel gewagt. Nun bekam er die Morddrohungen.

Wie man an diesem Beispiel erkennen kann, geht es Mißfelder wohl nicht um Inhalte, sondern um Posten und Macht. Eben als Vertreter der jungen Generation sollte er eigentlich, wie im Artikel erwähnt, dafür Sorge tragen, daß die junge Generation später auch noch leben kann und nicht in den Schulden der vorangegangenen Generation untergeht und erstickt. Da ihm aber wohl seine Karriere in der Politik wichtiger erscheint, biedert er sich der alten Generation an. Dies mal unabhängig davon, ob es nun vertretbar ist, ob ein 85-jähriger noch ein Hüftgelenk bekommt. Das sind eher soziale Fragen, aber da Mißfelder von der Jungen Union ist, erwartet man eigentlich anderes.

Das folgende Zitat macht besonders deutlich, worum es Mißfelder eigentlich geht:

“Ich gehe gern auf Parteiveranstaltungen”, sagt Mißfelder. Aber dahinter steht nicht der Wunsch, dass irgendetwas besser werden muss in Deutschland oder der Welt. Mißfelder hat bei einem Dutzend Gesprächen für diese Geschichte nicht einmal eine inhaltliche Frage angesprochen. Er war immer schnell bei der Einschätzung von Leuten, lästerte über Pofalla, arbeitete sich an der Kanzlerin ab. “Ich habe kein Programm, keine Visionen”, hat er einmal gesagt. Ein andermal: “Ich habe nie gesagt, dass ich die Welt verbessern will.” Vor den Rentnern in Langen: “Ich schließe nicht aus, dass sich irgendwann mein Aufgabenspektrum deutlich erweitert.” Bei einem Abendessen: “Ich bin Machtpolitiker.”

Es gibt wohl keinen Politiker, der sich so schamlos zu seiner Inhaltsleere und seinen Machtträumen bekennt wie Philipp Mißfelder. Er ist Spezialist für Kommunikation, für nichts anderes. Inhalte sind seiner Ansicht nach für hinterbänklerische Spezialisten, für Beamte. Diese Arbeitsteilung gibt es schon länger, in Mißfelder findet sie ihre Zuspitzung.

Die Leere des Menschen könnte bald zu einer Voraussetzung für den Erfolg in der Politik werden. Wer viel weiß, neigt zu Überzeugungen, zu Festlegungen, zu Worten mit Anspruch auf Gültigkeit. Der Machtpolitiker jedoch braucht undeutliche Worte, Worte, die er abschütteln kann, sonst muss er ihnen ständig nacharbeiten wie Mißfelder dem Wort “Hüfte” oder Merkel ihren Leipziger Worten.

Inhalte sind danach etwas für hinterbänklerische Beamte, nicht für Politiker. Das ist auch der Grund dafür, warum sich eigentlich nichts an der gemachten Politik ändert, egal welche Partei gerade an der Regierung ist. Ein weiteres Grundübel in der Politik.

Ich weiß nicht, aber ich wünsche mir bzw. erwarte sogar von einem Politiker, daß er nicht Politik macht, um seine Machtgeilheit zu befriedigen, sondern daß er Politik machen will, um etwas zu verändern und vor allem etwas für die Menschen zu verbessern. Aus diesem Grund ist Mißfelder eigentlich politisch nicht tragbar, eben weil er Politik aus der falschen Motivation heraus macht. Somit ist er nicht wählbar und deshalb eigentlich auch nicht die CDU.

Es sind noch weitere interessante Aspekte in diesem Artikel. Wer ihn liest, was jeder politikinteressierte Mensch tun sollte, sieht die Politik und die dahinterstehende Motivation der Leute vielleicht mit etwas anderen Augen….

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