Musik-Tipp: Lenka – The Show!

In der Diskussion um das Zensurgesetz wurde von den Befürwortern häufig vom Internet als rechtsfreiem Raum gesprochen und das eben dies nicht sein dürfe. Auch von Seiten der sogenannten “Content-Mafia” wird dieser Begriff häufig in der Diskussion bemüht, um neue Gesetze, Regelmentierungen oder Strafen von der Politik zu fordern. In den letzten Tagen gab es zwei interessante Artikel in der Online-Presse zu diesem Thema.

Zum einen schreibt Bettina “Twister” Winsemann bei Telepolis darüber, wie wenig rechtsfrei, dafür aber umso vernagelter mit Gesetzen und rechtlichen Stolperfallen doch das Internet in Wirklichkeit ist:

Wer Gitarrespielen lernen möchte, der ist am Anfang häufig frustriert. Dies resultiert aus der Tatsache, dass sich die Träume vom “schnell über die Saiten fahren und einen tollen Sound hinkriegen” mit der gleichen Geschwindigkeit verflüchtigen, wie sich Blasen an den Fingern bilden. Insbesondere jene, die Probleme mit dem Notenlesen haben, sind dann oft geneigt, aufzugeben. Gitarrenlehrer nutzen daher Gitarrentabs, die es ermöglichen, auch ohne Kenntnisse im Notenlesen zu spielen. Oft wird eine Seite eines Buches schnell einmal kopiert und dem Lehrling diese Kopie in die Hand gedrückt, auf dass er zu Hause fleißig übe.

Gleichermaßen geben Gesangslehrer ihren Zöglingen Kopien der Noten und Texte der Stücke in die Hand, welche bis zum nächsten Mal einstudiert werden sollen. Wer dieses Verfahren online anwendet und seinen Schülern auf der eigenen Homepage [extern] Texte und Noten von populären Musiktiteln oder Gitarrentabs erfolgreicher Rocksongs zur Verfügung stellt, hat gute Chancen auf eine kostenintensive Abmahnung.

Twister hat im Artikel noch mehr praxisnahe Beispiele für Sachen, die außerhalb vom Internet keinerlei rechtliche Probleme bereiten, aber wenn man sie in das Internet verlagert, plötzlich teuere Abmahnungen und andere Überraschungen nach sich ziehen können. Wer es nicht eh schon hatte, hat nach der Lektüre des Artikels den Eindruck, daß es sich beim Internet eigentlich um ein riesiges, rechtliches Minenfeld handelt, bei dem man sich nicht bewegen kann, ohne das Risiko einzugehen, daß man auf eine Rechtsmine tritt.

Auch Konrad Lischka thematisiert bei Spiegel Online in seinem Artikel das Thema “rechtsfreier Raum Internet”. Zunächst beleuchtet er die geschichtliche Entstehung dieser Phrase und führt sie auf:

Seit 1996 sagen Politiker und Lobbyisten ihn wieder und wieder, als würde die Aussage durch Wiederholung richtiger. Ein paar Beispiele:
– Am 27. Juli 1996 schreibt Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) in der “Frankfurter Rundschau”: “Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.” Rüttgers erklärt gleich noch, das in seinem Ministerium vorbereitete Multimediagesetz werde genau das verhindern und fordert: “Netzbeschmutzern muss das Handwerk gelegt werden.”
– Als würde das von Rüttgers so gelobte Multimediagesetz nicht längst gelten, fordert Bundeswirtschaftsminister Werner Müller drei Jahre später am 28. August 1999 in der “Welt” bei der Eröffnung der Funkausstellung in Berlin einen “verbindlichen Rechtsrahmen” für die “neuen Medien”. Denn: “Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein.”
– Der “Welt am Sonntag” erklärte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) am 10. Dezember 2006, warum der “Waffenhandel im Internet” durch “Cybercops schärfer überwacht” werden müsse. Beckstein sagte, “Online-Anbieter” könnten nicht gezwungen werden, “zuverlässig die Käuferidentitäten sowie die zum Kauf erforderlichen Lizenzen zu prüfen”. Da müsse man die “Zahl der Cybercops deutlich erhöhen”. Denn: “Das Internet darf kein rechtsfreier Raum werden.”

Auch Lischka zitiert einige Beispiele in seinem Artikel, daß im Internet sowohl die allgemeinen Gesetze als auch zusätzliche spezielle Gesetze gelten und man somit ganz und gar nicht von einem rechtsfreien Raum sprechen könne.

Wer da vom “rechtsfreien Raum” Internet spricht, ignoriert einige Entwicklungen und verschleiert, dass es gerade nicht darum geht, neue Regeln fürs Web zu definieren, sondern die bestehenden zu systematisieren, anzuwenden und eine neue Balance zwischen Grundrechten und staatlichen Eingriffsmöglichkeiten im Web zu finden.

Das zu erklären, ist natürlich etwas komplizierter als härtere Gesetze zu fordern.

Erstaunlicherweise hat 1996 – vielleicht waren die Fronten damals noch nicht so verhärtet – CDU-Forschungsminister Jürgen Rüttgers in der “Frankfurter Rundschau” versucht, als er über Maßnahmen gegen Kinderpornographie im Internet schrieb: “Auch gegen einen Anbieter, der in Deutschland über die Datennetze Kinderpornografie verbreitet, kann und muß die Justiz wie in jedem anderen Fall nach geltendem Strafrecht vorgehen.” Und, so Rüttgers damals: “Mißbrauchsbekämpfung bedeutet jedoch nicht die lückenlose Datenkontrolle im Internet.”

Vielleicht sollte man Herrn Rüttgers, seines Zeichens Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen und CDU-Mitglied, mal auf seine damalige Aussage hinweise und ihn zu einem Einspruch im Bundesrat gegen das Zensurgesetz auffordern?

Am 27. September ist Bundestagswahl. Bis dahin ist noch Zeit, entsprechend bei den Politikern nachzuhaken und aufzuklären, welchen Unsinn sie da verzapft und dementsprechend verantworten zu haben.

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