Die “Gorch Fock” Affäre

In den letzten Tagen ist das Segelschulschiff der Bundesmarine "Gorch Fock", das nach dem gleichnamigen norddeutschen Schriftsteller benannt worden ist, in die öffentliche Kritik geraten. Ursache sind hierfür einige Vorkommnisse wie die Unfalltode zweier Kadettinnen an Bord. Am Ende der letzten Woche setzte Verteidigungsminister zu Guttenberg nun den Kommandanten an Bord ab und sprach davon, die Gorch Fock erst einmal an die Kette zu legen und über die weitere Zukunft des Schiffes nachzudenken:

Erstens sollte umgehend der Chef des Schulschiffes abberufen werden. Das Schiff selber will Guttenberg so schnell wie möglich zurück in Deutschland sehen. Statt eines weiteren Paradies-Trips in Südamerika steht nun die Heimreise nach Norddeutschland an. Ob die "Gorch Fock" danach überhaupt wieder in den Einsatz geht, ließ der Minister bewusst offen.

Daß ein Untersuchungsausschuß die Vorfälle und Beschwerden an Bord überprüfen soll, ist sicherlich sinnvoll und vielleicht auch überfällig, aber bei der Abberufung und der angedrohten Stillegung des Schiffes muss zumindest eine Diskussion erlaubt sein.

Und so sehen es wohl auch die Marineoffiziere in Glücksburg, wie Spiegel berichtet

Der Marineoffizier, der einen ranghohen Posten im Flottenkommando in Glücksburg hat, tut sich schwer, die richtigen Worte zu finden. Es gelte die Regel, "dass man den IBuK, den ‘Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt’, nicht kritisiert, jedenfalls nicht öffentlich". Aber in diesem Fall könne er nicht schweigen. Er räuspert sich und sagt dann mit leiser Stimme: "Bei allem Respekt, aber was Verteidigungsminister zu Guttenberg da entschieden hat, erschüttert mich in meinen Grundfesten."

[…]

"Ich will gar nicht abstreiten, dass es womöglich Verfehlungen auf der ‘Gorch Fock’ gegeben hat", sagt der Marineoffizier. "Eine eventuelle Schuldfrage hätte man in Ruhe ermitteln müssen, und ich war froh zu hören, dass ein Ermittlerteam nach Argentinien geschickt wird, um die Arbeit an Bord aufzunehmen. Aber offensichtlich reicht ein Artikel in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben und schon sind alle Regeln außer Kraft gesetzt."

In der Tat scheint jene Zeitung mit den auffäligen Lettern maßgeblich an der Entscheidungsfindung der zu Guttenbergs beteiligt zu sein. Bereits bei der Diskussion um das ZugErschwG (aka Zensurgesetz) im Kampf gegen Kinderpornographie war die Nähe der Guttenbergs zu den Medien auffällig geworden, wie Futurezone berichtet

Dass gerade die BILD mit in den PR-Coup rund um TI involviert war, ist keineswegs ein Zufall. Uns bei Innocence in Danger wird ja gerne vorgeworfen, dass wir mit der Bild-Zeitung kooperieren. "Wir tun das aber sehr gerne, weil es unser Anspruch ist, so viele Menschen wie möglich zu erreichen und das aus ganz, ganz unterschiedlichen Schichten. Es geht um die Masse." sagt Stephanie von Guttenberg zu diesem Thema, lässt aber eine nicht ganz unerhebliche Tatsache außer Acht: zur BILD-Zeitung besteht eine Verbindung der besonderen Art.

Anna von Bayern, Redakteurin bei der BILD, sorgt, nicht zuletzt seit der von ihr geschriebenen Biographie über den Verteidungsminister, für schmeichelhafte Schlagzeilen über das Ehepaar von Guttenberg. Gleichermaßen hilfreich ist Tamara Gräfin von Nayhauß (38), Mitarbeiterin des ZDF-Magazins "Hallo Deutschland", die für die Privatberichterstattung sorgt. Patenonkel ihres Sohnes ist Herr von Guttenberg – für Hofberichterstattung ist insofern gesorgt und davon profitiert auch "Innocence in Danger", denn die Präsidentin des deutschen Ablegers ist Stephanie von Guttenberg. Geschäftsführerin ist Julia von Weiler, die neben Beate Krafft-Schöning in "TI" eine herausragende Rolle spielt: sie ist Expertin für das Thema „sexuellen Missbrauch“.

So verwundert es sicherlich niemanden, daß die Guttenbergs in der Presse bzw. gewissen Medien immer so positiv dargestellt werden.

Daß es auch eine andere Sichtweise geben kann, berichtet zum Beispiel Leo Walotek-Scheidegger auf dem Rostocker "Yachtblick"-Blog:

Hellmut Königshaus umgibt der zweifelhafte Nimbus eines Konformisten. Bereits im November 2010, nach dem tödlichen Unfall einer Offiziersanwärterin im brasilianischen Hafen Salvador de Bahia, gab es seinerseits das erste Signal, was er im Fall „Gorch Fock“ zu tun gedenke: „Das Schiff werde abgeschafft, koste es, was es wolle“. Aussagen machten die Runde, gehe es nicht andres, werden die Sicherheitsanforderungen so hoch geschraubt, dass die Dreimastbark gar nicht fährbar sei.
Dahinter steckt eine tiefgreifende – und zutiefst beunruhigende Idee – nämlich: ein einheitliches Zentrum für Ausbildung der Offiziersanwärter zu schaffen. Damit ließen sich beide „Individualisten“, die Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck sowie die Marineschule Mürwik in Flensburg-Mürwik abschaffen. Was gebe es danach? Ein Anzug nach Maß für alle: die Offiziersausbildungsstätte, zur Zeit die des Heeres, in Dresden. Die „Gorch Fock“, gerade durch ihren Bekanntheitsgrad und Sympathie innerhalb der Bevölkerung ist die schwerste zu knackende Nuss auf diesem Weg: man schafft sie nicht ohne weiteres ab. Würde dies jedoch passieren, gebe es sicherlich auch weitere „nützliche“ Vorschläge, wie etwa den, das rote Schloss am Meer (Marineschule Mürwik), in ein nobles Hotel umzuwandeln.

Ich kann nun nicht beurteilen, inwieweit es tatsächlich diese Bestrebungen gibt, die Offiziersschulen aufgrund von Kosteneinsparungen zusammenlegen zu wollen. Aber für gänzlich unrealistisch halte ich diesen Vorwurf nun auch wieder nicht. Allerdings gibt es in der "offiziellen" Presse keinen Hinweise darauf in der aktuellen Diskussion. Yachtblick fährt fort: 

Ich kenne “Gorch Fock”-Kommandanten, Norbert Schatz, persönlich. Seit Jahren wurde ihm vorgeworfen, er sei zu weich. Nie gab er diesem Druck nach und sorgte weiterhin dafür, dass die „Gorch Fock“ ein Schulungsschiff blieb, wo unter anderem auch persönliche Souveränität gelehrt wurde. Ich sprach in Bezug auf die jetzige Situation mit mehreren Marineoffizieren, die unter dem Mann Monate, gar Jahre, dienten. Schatz wird eindeutig eine Lüge in die Schuhe geschoben. Bloß scheint er derjenige zu sein, der weiterhin imstande ist, das Schiff zu beschützen.
Es ist auch ein offenes Geheimnis, dass die angebliche Meuterei nicht ohne weiteres medial während der Nolitng-Ära machbar wäre. Der ehemaliger Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Wolfgang E. Nolting, hätte einen so billigen Vorwurf nie akzeptiert. Schließlich sind die Zeiten der Kriegsmarine längst zu Ende und nur noch Geschichte.

Ich kenne den Kommandanten nicht persönlich, aber irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, daß er in dem Maße für die Vorfälle an Bord (über dem Rahmen seines Status als Kommandant) verantwortlich sein soll, die nun eine Absetzung rechtfertigen würden – außer natürlich, daß er dadurch aus der Schußlinie der Medien gebracht werden soll.

Daß die Gorch Fock stillgelegt werden soll, halte ich für irrwitzig und falsch. Im Grunde ist sie das ideale Kriegsschiff und somit das beste Schiff, das die Bundesmarine überhaupt hat: es hat keine Kanonen an Bord und dient lediglich als Botschafterin des Bundesrepublik Deutschland. Und diese Aufgabe übernimmt das Schiff und die auf ihr dienende Besatzung immerhin schon seit 1958 in herrausragender Art und Weise.

Daß es dort nicht wie im Kindergarten zugeht, ist klar. Aber auch auf anderen Schiffen der Bundesmarine gab es schon immer komische Rituale. Nicht nur auf der Gorch Fock.

Doch Leo Walotek-Scheidegger führt weiterhin aus: 

Ich bin zutiefst enttäuscht, dass es seitens der Presseabteilung der Marine ein so unglaubliches Schweigen herrscht. Das gleicht in meinen Augen einer Fahnenflucht. In einem Staat, in dem es angeblich freie Medien und Pressefreiheit gibt, gleicht solches Handeln – oder besser kein Handeln – der zivilen Desertion. Wie sollen diese Medien, die durchaus differenzierter über diesen Fall hätten berichten können an die Wahrheit kommen?

Ein solches Handeln eröffnet der Boulevardpresse die freie Bahn. Aber nicht nur ihr. Ich habe erfahren, dass in den heutigen Morgenstunden “BILD” in etwa diese Schlagzeile publizieren wird: “So feiert die Besatzung der Gorch Fock den Tod einer Offizieranwärterin!” Im Artikel wurde ein Bild publiziert, das vor Jahren während einer Feier an Bord aufgenommen wurde. Nichts daran ist wahr, weder Wort noch Bild. Nach dem Tod der OA Sarah S. im November 2010 waren selbstverständlich – vom Kommandanten an Bord – alle Arten von Feiern untersagt. Außerdem war sowieso niemandem auch nur im Entferntesten nach Feiern zumute.

Kommandant der GORCH FOCK, Kapitän zur See Norbert Schatz, soll als Bauernopfer in diesem politisch gewolltem Spiel, seitens der Opposition fallen. Gewisse Medien werden ihn zum Oberst Klein der Marine machen wollen.
Es ist schockierend wie tief unsere politische Repräsentanz gefallen ist und wie machtgeil sie mittlerweile agiert.
Ich bin der Meinung, alle Menschen, die dieses Belügen unserer Gesellschaft satt haben, sollten solche Medien boykottieren.

Nun, daß die Medien allzu häufig nicht mehr dazu taugen, differenziert und kritisch zu berichten, sollte eigentlich jedem klar sein, der ab und zu Fernsehen schaut oder Zeitungen liest. Im Grunde wird aufgrund von Zeitmangel/-druck und Gewinnstreben des Vorstands nur noch bei den Presseagenturen abgeschrieben. Wenn überhaupt. Vielfach werden die Agenturmeldungen auch einfach per Copy & Paste unreflektiert übernommen. Daß die Bild-Zeitung an sich lieber mit reißerischen Meldungen und Titelzeilen Stimmung macht als fundierte Recherchen und Berichterstattung zu betreiben, kann man vielfach auf Bildblog.de nachlesen.

Umso wichtiger ist es, eine unabhängige, neutrale und vor allem kritische Berichterstattung zu haben. Dies wird seit einigen Jahren und immer zunehmender durch Blogs erledigt, die allerdings auch häufig selbstreferentiell sind und sich schnell auf ein Thema einschießen. Doch zumindest ist das Angebot einer anderen Sichtweise damit gegeben und der Bürger kann selber entscheiden, wo er sich in welchem Umfang informieren möchte. Und es wäre schön, wenn sich die Offiziere und Kadetten an Bord der Gorch Fock dem Schlußsatz von Walotek-Scheidegger zu Herzen nähmen: 

Gleichzeitig möchte ich mich an die Offiziere der Marine wenden. Sie alle dienen einem demokratischen Staat, Sie alle haben ein Eid geleistet. Sie alle haben einmal gesagt: ich schwöre der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des Deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
Sie schulden dem Volk die Wahrheit, nicht der Opposition und nicht der Regierung, die sich vor dieser beugt.
Bringen Sie die Wahrheit an die Presse. Ich bitte Sie darum. Obwohl es Ihre Pflicht ist. Auch heute stirbt die Wahrheit zuerst.

Falls die Presse diese Aufgabe nicht übernehmen möchte, würde sich wohl so manches Blog gerne als Veröffentlichungsplattform zur Verfügung stellen, wenn jemand von Bord der Gorch Fock seine persönliche Sichtweise darstellen möchte.

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4 thoughts on “Die “Gorch Fock” Affäre

  1. Bravo für diesen Blogartikel.
    Bravo für diesen Blogartikel. 100% ACK. Der Gorch Fock droht der Untergang im Entrüstungsturm durch eine Boulevardpresse die diese “Meuterei” als willkommene Ablenkung von anderen tagespolitischen Themen aufbauscht.

    Besonders unverständlich sind die Experten, die jetzt behaupten ein Segelschulschiff wäre in unserem Jahrtausend nicht mehr zeitgemäß. Mit der gleichen Logik kann ich auch fordern, in den Schulen den Rechenunterricht abzuschaffen, denn Taschenrechner und Computer sind heute mehr zeitgemäß als Kopfrechnen.

  2. Zuerst wird meine Aufregung
    Zuerst wird meine Aufregung ueber das Thema dadurch verringert,
    dass nur Freiwillige auf der Gorch Fock Dienst tun und kein
    Wehrpflichtiger zum Dienst auf diesem Schiff genoetigt oder
    “einberufen” wird.
    Hier bleibt also nur eine Zahl-Pflicht des Steuerzahlers.

    Man mag ja ueber den Sinn und Qualitaet der Ausbildung
    verschiedener Meinung sein, allerdings sollte gelten:
    KEINE AUSBILDUNG RECHTFERTIGT DIE INKAUFNAHME VON TODESOPFERN !

    Teil dieses Problems ist auch das totale Ignorieren
    von Arbeitsschutzbestimmungen. Jeder Fahrradfahrer
    wird seitens der Polizei zum Tragen eines Helmes angehalten,
    aber fuer einen moeglichen Sturz aus 27 Metern Hoehe
    gilt wohl auf diesem Schiff ein rechtsfreier Raum ohne
    Vorschriften. Vorschriften sind nur fuer die anderen
    (und mich) da.

  3. Um vorweg Eines klar zu
    Um vorweg Eines klar zu stellen: ich bin kein Marinefanatiker (habe selber Zivildienst gemacht), oder illusorischer Träumer, der den Windjammern hinterher jammert. Ehrlich gesagt verstehe ich aber nicht so ganz, was der viele Wind um die Praktiken auf der Gorch Fock soll. In Bezug auf die Kadettin, die zu Tode gestürzt ist, gibt es anscheinend offene Fragen, auch die “Praxis des Duschens” und des Wasserskivergnügens erscheint fragwürdig. Jedoch wird in der Presse im Moment alles Mögliche aus den vergangenen Jahren – Zusammenhangslos – ausgegraben und neu zusammen gesetzt:

    1.) ZB. kursieren Bilder der angeblichen Alkoholexzesse in den Medien, die nach meiner Meinung verdächtig nach Äquatortaufe aussehen. Für einen Aussenstehenden sieht dies nach Guantanamo & Co. aus und zugegebenermassen ist die ganze Sache auch nicht wirklich lecker (habe selber einige Spezialitäten des Taufbanketts “gegessen”). Aber, das Ganze ist auch ein riesiger Spass. Dies ist nicht die Einschätzung eines “harten Kerls”; meine Mittäuflinge, unter denen auch viele Frauen waren, haben auch Spass dabei gehabt – zumal diese Prozedur idR freiwillig ist (so wie die ganze Fahrerei auf der Gorch Fock).

    2.) Ich bin selber viel auf See gewesen und weiss, dass die Sitten etwas rauer sind, als man es an Land gewohnt ist. Zum einen ist dies aber auch in der Sache der Natur begründet. Auf See müssen schnelle Entscheidungen getroffen werden und dementsprechend auch schnelle Handlungen erfolgen. So wie im OP auch nicht “bitte einen Tupfer Frau/Herr so-und-so” gesagt wird, wird auf See – gerade auf einem Segler – auch nicht “bitte die Vorschot fieren Frau/Herr so-und-so” gesagt. Dies hat einen einfachen Grund: so wie der Patient im OP möglicherweise verblutet ist, bevor man mit den Höflichkeitsfloskeln fertig ist, so kann (zB) ein Schiff in eine für Besatzung und Schiff gefährliche Situation kommen.

    Wie gesagt, ich bin kein Fan der Marine (oder einer anderen Wehreinrichtung), aber es zeigt sich mal wieder, wie sehr die Presse auf Skandale aus ist und manchmal (öfters?) ohne Sinn und Verstand Details aus dem Zusammenhang herausnimmt um mit diesen eine Horrorstory zu spinnen, die sich logischerweise besser verkaufen lässt. Wo soll dies hinführen? Soll es das Ziel sein, dass wir Lebensumstände wie in den USA haben? Alles immer schön strickt nach Vorschrift, kein Raum für Persönlichkeit, alle obrigkeitshörig, wo man wegen einer “schlüpfrigen” Bemerkung schon als Sexist gelten kann?

    Ist es das, was ihr wollt liebe Journalisten?

  4. Endlich habe ich mal eine
    Endlich habe ich mal eine Seite gefunden auf der ich meine Meinung kundtun kann!

    Gestern noch haben ich einen BEricht über das Unglück auf der Gorch Fock im Fernsehn gesehen. Niemand fühlt sich verantwortlich für den Tod von Sarah Lena. Es ist doch traurig, dass all die hohen Tiere immer eine Ausrede parat haben wenn irgendwas passiert, das schlimme daran ist das sie damit in der Regel auch noch durchkommen!

    Meiner Meinung nach sollte der Kapitän verurteilt werden, denn er hätte als Ausbilder die Schwäche der jungen Frau erkennen müssen und sie somit an einem weiteren hinaufsteigen hindern müssen.

    Muss es denn unbedingt sein das junge Menschen so in ihrer Ausbildung geschunden werden? Also ich denke dies muss in jedem Fall vermieden werden, denn es ist ein Unterschied ob eine Ausbildung einfach nur hart und schwer ist, oder ob Menschen beinahe schon Mißhandelt werden.

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